Wasserstoff in Mecklenburg-Vorpommern: Was unsere grüne Revolution mit der Sonne zutun hat

Das Bundesland entwickelt sich zum Top-Standort für die zukünftige Energieproduktion. Im Rahmen unserer GREENWEEK gibt dieser Artikel einen Überblick über kommende Potenziale.

Die folgenden drei Teilbereiche bilden zusammen den Gesamtansatz, im Rahmen dessen sich Mecklenburg-Vorpommern zu einer vollständigen Region zur emissionslosen Erzeugung und Nutzung von Wasserstoff entwickelt.

Die Teilbereiche sind mit populärwissenschaftlichen Hintergrundinformationen ergänzt und beinhalten viele Querverweise in unsere Gründungs- und Unternehmensszene im Nordosten.

  1. Eignung: Wasserstoff als Alternative zu fossilen Brennstoffen
  2. Produktion: Warum Mecklenburg-Vorpommern der ideale Standort für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ist.
  3. Nutzung: Grobe Funktion der Kernfusion, Energiefreisetzung, notwendiger Brennstoff und was Greifswald damit zutun hat

1. Teil: Warum Wasserstoff eine echte Alternative zu fossilen Brennstoffen ist

Bei der Verbrennung oder dem Verbrauch von Wasserstoff entsteht einzig und alleine Wasser als Emission (was dann sprichwörtlich aus dem Auspuff tropft). Ist der Wasserstoff „grün“ hergestellt, also ohne Emission von Klimagasen, so ist die gesamte Produktionskette klimaneutral – was im Folgenden in diesem Artikel immer wieder als Standortvorteil Mecklenburg-Vorpommerns herausgearbeitet wird.

Zunächst kurz einen Schritt zurück: Warum Wasserstoff so geeignet ist.

Die Eignung liegt in der hohen Energiedichte und vergleichsweisen einfachen Herstellung, nur diese beiden Eigenschaften machen Wasserstoff vielseitig und vorteilhaft. Im Gegensatz zu einer Lithium-Ionen-Batterie (diese kann rund 200wh/kg Energie speichern), hat Wasserstoff eine sehr hohe massenbezogene Energiedichte, nämlich rund 33.000 wh/kg, eignet sich also auch für großindustrielle Anwendung (bspw. Stahlproduktion, Schiff- oder Raumfahrt). Benzin hat übrigens eine massenbezogene Energiedichte von rund 13.000 wh/kg, ist hier im direkten Vergleich sogar dem Wasserstoff unterlegen.

Auch mit den bekannten, negativen Eigenschaften (bspw. hohe Flüchtigkeit, Speicherung unter hohem Druck notwendig) kann, mit der richtigen Innovation, hier eine grüne, tiefgreifende Revolution entstehen.

Fusionsreaktor in Greifswald (Schweriner Volkszeitung)
Beispiel für die Nutzung von Wasserstoff: Der Fusionsreaktor in Greifswald (Foto by Schweriner Volkszeitung)

Für Mecklenburg-Vorpommern lässt sich folgendes festhalten: Wasserstoff bietet als umweltfreundlicher Energieträger das Potenzial, Emissionen drastisch zu reduzieren und als Speicher für überschüssige erneuerbare Energien zu dienen. Dank seiner Vielseitigkeit kann er in verschiedenen Sektoren von Verkehr bis Industrie eingesetzt werden. Globale Investitionen und technologische Fortschritte unterstreichen seinen Stellenwert als Schlüsselkomponente einer nachhaltigen Energiezukunft, insbesondere bei uns im Bundesland.

2. Teil: Warum Mecklenburg-Vorpommern der ideale Standort für die Produktion von grünem Wasserstoff ist

Produktion von sauberem, grünen Wasserstoff: Standortvorteil durch Überschuss grüner Energie

In Mecklenburg-Vorpommern wurden 2021 insgesamt 14.652 Gigawattstunden elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt und 6.584 Gigawattstunden dagegen verbraucht.

Grüne Energieerzeugung in Mecklenburg-Vorpommern
Grüne Energieerzeugung in Mecklenburg-Vorpommern

Der fast doppelt so große Überschuss kann dazu genutzt werden, echten grünen Wasserstoff bei uns im Bundesland herzustellen. Denn das als Elektrolyse bezeichnete Herstellungsverfahren benötigt nur Wasser und Energie (Strom) als Inputfaktoren, um nutzbaren Wasserstoff als Output zu erzeugen.

Dazu hat sich mit dem Wasserstoffenergie-Cluster MV ein Konsortium gebildet, dass die Erschließung und Aufbau von Standorten in Mecklenburg-Vorpommern vorantreibt.

Am 10. Juli 2023 hat zudem die HH2E AG bekannt gegeben, am Standort Lubmin grünen Wasserstoff herstellen zu wollen. Das Projekt umfasst mehrere Ausbauphasen mitsamt Speicherkapazität vor Ort. In der letzten Ausbaustufe können in Lubmin dann jährlich über 60.000 Tonnen Wasserstoff (1 GW) produziert werden.

Auch die APEX Group interessiert sich für den Standort Lubmin. Am 27. Juli 2023 wurden Pläne veröffentlicht, eine Anlage zur Produktion von Wasserstoff (600 MW) am Greifswalder Bodden zu errichten. Das Unternehmen ist mit einer 100 MW-Anlage bereits in Rostock-Laage aktiv.

APEX Werk in Mecklenburg-Vorpommern (Power2X)
APEX Werk in Mecklenburg-Vorpommern (Power2X)

Der norwegische Düngemittel-Hersteller Yara als Weltmarkführer im Ammoniakhandel und der Leipziger Gaskonzern VNG planen, Rostock zu einem Produktionsstandort für grüne Gase zu machen.

Der Landkreis Vorpommern-Rügen wird als HyPerformer II-Wasserstoff-Region gefördert, um insbesondere Infrastruktur und Umwandlung zu erforschen und Praktisch umzusetzen.

Aufgrund der vielen Ansätze und der Ganzheitlichkeit wird Mecklenburg-Vorpommern bereits als Powerhouse und Lead-Market für die Energiewende bezeichnet. Das ist für uns und das Bundesland natürlich nicht nur eine riesige Chance, sondern auch ausgezeichnete Perspektive auf die Zukunft als Wirtschaftsstandort.

Transport und Infrastruktur

Wasserstoff kann zum Teil in bestehender Infrastruktur (bspw. Erdgasleitungen) transportiert werden.

Station der Erdgasleitung in Lubmin © Nord Stream AG
Station der Erdgasleitung in Lubmin © Nord Stream AG

Vorteil in Mecklenburg-Vorpommern: Beispielsweise ist Lubmin durch die Nordstream-Pipelines an das Deutsche Erdgas-Energienetz angeschlossen. Ohne großen Aufwand kann dies als Standortvorteil für die Einspeisung von Wasserstoff genutzt werden.

3. und persönlicher Teil: Nutzung des Wasserstoffs im Bundesland: Meine erste Berührung mit dem Thema Fusionsenergie im Rechenzentrum Greifswald

Im Rahmen meiner Forschung an der Universität Greifswald beschäftige ich mich mit der massenhaften und automatischen Auswertung von Finanznews-Artikeln aus dem Internet. Ziel ist es, aus journalistischen Texten die Marktstimmung der Börsenteilnehmenden zu extrahieren und darauf zielgerichtete Handelsstrategien aufzubauen. Aufgrund der Heterogenität der Sprache und des Journalismus ist dies nur mit Machine-Learning effektiv möglich, da pro Tag etwa 5000 News relevant sind. Mittlerweile haben wir über 20 Millionen News in unserer Datenbank.

Was hat das jetzt mit Fusionsenergie zutun?

Tatsächlich nur eines: Die massenhafte Auswertung ist aufgrund der vielen Daten auf dem heimischen PC quasi unmöglich. Selbst kleinere Analysen benötigen Stunden.

Wir haben also einen Termin beim Rechenzentrum der Universität Greifswald ausgemacht, um dort die notwendigen Berechnungen durchzuführen. Auf unsere vorsichtige Frage hin, ob ein kontinuierlicher Zugriff auf die 20 Millionen Daten und die Berechnung verschiedener Dinge große Ressourcen benötigt, brach schallendes Gelächter bei den Mitarbeitenden aus: Das sei doch Vergleich zur Berechnung von Fusionsprozessen des Wellenstein-Fusionsreaktor Pipifax – dort geht es nämlich in die billionenhafte Berechnung von Teilchen.

Was passiert bei der Kernfusion eigentlich und warum ist die Umsetzung so schwierig?

Die Erklärung ist zwar sehr intuitiv, aber eine praktische Herausforderung: Anders als bei der Kernspaltung werden Atome, bzw. deren Kerne miteinander fusioniert. Die einfachste Kernfusion funktioniert mit Wasserstoffatomen, die zu Heliumatomen fusioniert werden – wie das sogenannte Wasserstoffbrennen in unserer Sonne. Diese ist auch gleichzeitig die ergiebigste, da der fusionierte Kern bei dieser Fusion am meisten Masse verliert (aus zwei Kernen wird ja einer!), was (nach Einsteins e=mc^2) ja bekanntlich in – die von uns gewünschte – Energie umgewandelt wird. Um genau zu sein: Das neue Heliumteilchen besitzt ca 0,7% weniger Masse als die in die Reaktion eingegangenen Wasserstoffteilchen. Diese 0,7% Masse wird vollständig in Energie umgewandelt. Diese Reaktion sorgt für rund 98% der Leuchtkraft unserer Sonne.

Aufbau unserer Sonne
Aufbau unserer Sonne (NASA)

Funfact über die Sonne

Durch das Vakuum des Weltraums kann die Sonne die gewaltige Energie nur über Strahlung (nicht etwa Wärmeenergie!) freisetzen: Nur deshalb kommt die schier endlos lange Lebenszeit von rund zehn Milliarden Jahren zu Stande.

Atomkerne enthalten positiv geladene Positrone und stoßen sich natürlicherweise magnetisch ab – so ist es alles andere als einfach, zwei Kerne miteinander zu fusionieren. Um dennoch genau dies zu erreichen, ist zunächst viel Energie notwendig, um die Atome so schnell in Bewegung zu setzen, dass sie – zufällig – und möglichst heftig miteinander trotz der Neigung zur Abstoßung kollidieren, bzw. eben fusionieren: Grundvoraussetzung für die Kernfusion.

Wenn wir von Energie sprechen, sprechen wir von Temperaturen i.H.v. Millionen Grad Celsius. Sonne eben.

Um den Artikel populärwissenschaftlich zu halten, wird auf eine genauere Beschreibung der Kernfusionsreaktion verzichtet, weil diese in mehreren Schritten abläuft und im Sinne der Verständlichkeit ausführlich beschrieben werden sollte.

Klar ist, dass die primäre Herausforderung darin besteht, die in der Sonne natürlich herrschenden Bedingungen irgendwie effizient auf der Erde nachzubilden, um eine energieerzeugende Kernfusion zu erzeugen.

Ein StartUp mit Greifswalder Beteiligung

Den Kreis schließt der Forschungsreaktor Wendelstein 7-X in Greifswald. Wendelstein 7-X ist die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator. Dabei ist der Name Programm: Mithilfe einer aufwendigen Konstruktion werden die physikalischen Umstände in der Sonne nachempfunden.

Grundlegend ist, dass das oben beschriebene, überheiße Plasma mithilfe eines Magnetfeldes nicht mit der Konstruktion in Berührung kommt, was durch eine komplizierte Spulengeometrie (siehe Illustration) erreicht wird. Mehr Informationen können auf der Wendelstein 7-X Seite des Max-Planck-Institutes abgerufen werden.

Das rund 100 Millionen Grad heiße Plasma (gelb dargestellt) wird mithilfe eines Magnetfeldes berührungsfrei durch die Ummantelung (blau dargestellt) auf Abstand gehalten.

Das StartUp Proxima Fusion will die Forschung in unseren Alltag übertragen und den Bau von Fusionskraftwerken in der Zukunft möglich machen.

Auf Grundlage des Greifswalder Forschungsreaktors soll eine Energierevolution beginnen: Das StartUp und Spin-out aus dem Max-Planck-Institut für Plasmaphysik arbeitet zielstrebig an der Umsetzung der Forschung. Wenngleich das StartUp in München beheimatet hat, hat es mit dem Fusionsforscher Jonathan Schilling auch einen Greifswalder Gründer und beruht daneben auch auf den Greifswalder Forschungsergebnissen.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Erklärungsvideo zur Wirkungsweise eines Stellarator-Fusionsreaktors in Greifswald

In einem ersten Schritt beschäftigt sich das Team intensiv mit dem gesamten Spektrum des Stellarator-Kraftwerksdesigns und legt den Schwerpunkt auf einen simulationsbasierten Ansatz: Das Ziel ist es nicht nur, die physikalische Leistung und technische Machbarkeit zu demonstrieren, sondern auch die kommerzielle Rentabilität des Konzepts zu beweisen.

Das Team arbeitet am Max-Planck-Standort München und hat bereits eine erfolgreiche Finanzierungsrunde in Höhe von sieben Millionen Euro (Pre-Seed) hinter sich.

Mehr Informationen: https://www.proximafusion.com/

Damit schließt sich der Kreis des Wasserstoffs in Mecklenburg-Vorpommern. Wir wünschen uns mehr StartUps und auch den politischen Willen, bspw. am Standort Greifswald weitere Ansiedlungen zu realisieren.